Einige Aspekte über die rechtliche Stellung der Samen in Finnland

Die Situation der finnischen Urbevölkerung wurde seit Mitte des 20. Jahrhunderts, vor allem in der Nachkriegszeit von vielen Komitees, Ausschüssen und Arbeitsgruppen behandelt. Im Folgenden betrachte ich die Entwicklung der traditionellen samischen Kultur auf dem heutigen samischen Siedlungsgebiet.

Zuerst ist festzustellen, dass das Siedlungsgebiet der Samen zu den kargsten und am wenigsten produktiven Gebieten Finnlands zählt. Denn es sind ja gerade die subarktischen Birken-und Tundragebiete hinter dem Nadelwaldgebiet wie auch die Flusstäler, die bis zum Eismeer reichen, in denen die Samen mit ihrer Arbeit, ihren Wohnungen und ihrer Kultur heimisch sind. Die Zähmung des wilden Rentiers ermöglichte es den Samen, ihr Leben an die schwierigen Naturbedingungen des nördlichen Lappland anzupassen. Das Rentier, das seine gesamte Energie aus der Natur bezieht, bietet für die Samene quasi den einzigen Weg, einen Ertrag aus dem Ökosystem des Fjäll-und Nadelwaldgebietes zu erzielen. Indem die Samen das Rentier auf Sommer-und Winterweiden trieben, hatten sie in der Tat ein ganzes System der Anpassung des Lebens an die unwirtlichen Naturverhältnisse geschaffen. In den Flusstälern bietet, dank des Golfstromes, der Lachsfang einer natürlichen Lebensgrundlage, so, wie es auf den Hochebenen im Landesinnern die Rentierzucht tut. An den Ufern des Inarisees hat sich, deutlich unterschieden von der Zuchtwirtschaft der Rentiersamen, die samische Fischereikultur herausgebildet. Und die große Zahl der Fischgewässer und die Vielfalt der Fischarten waren im Laufe der Zeiten eine gute Basis für die samischen Fischer.

Die unmittelbar naturverbundene Lebensweise der Samen war bis Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts in der Tat eine direkte, dem Jahreslauf folgende, allseitige Nutzung der Naturreichtümer. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich unter den Samen ein eigenständiges Recht herausgebildet; die Rechtsnorm der ungeschriebenen Verträge über den gemeinsamen Besitz und die gemeinsame Nutzung der Naturreichtümer. Die Samen wussten genau, wer wo Fische fing oder wo die jeweiligen Dörfer ihre Biberdämme hatten, wer wo sein Brennholz holte, wer wo und wann seine Rentiere weiden ließ usw.

Eine auf solchen ungeschriebenen Rechtsnormen beruhende Nutzung der Naturreichtümer gab es im heutigen samischen Siedlungsgebiet bis Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts. Mit der am Ende des 18. Jahrhunderts einsetzenden Entwicklung nationalstaatlicher Gesetzgebung wurden den Samen nach und nach das Besitzrecht und das Verfügungsrecht über die Naturreichtümer entzogen. Mit dieser Entrechtung einhergehend, kam es zu einer forcierten Besiedlung der samischen Gebiete mit finnischen Neusiedlern, die - ganz gegen die samische Landessitte - mit den Samen um die knappen Naturreichtümer in Konkurrenz traten.

In anderen Regionen Nord-Skandinavin vollzog sich diese Entwicklung bereits im 17. und 18. Jahrhundert. Und geht man in der Geschichte zeitlich noch weiter zurück, waren es ja gerade die Samen, die Finnland ursprünglich besiedelt hatten. Die Zurückdrängung des samischen Lebensraumes führte zu einer Auflösung der traditionellen Nutzung der Naturressourcen und somit zum allmählichen Verschwinden der samischen Lebensweise im größten Teil des heutigen Bezirkes Lappland. Die Samen leben heute lediglich noch in den nördlichsten Gemeinden Finnlands.

Wie bereits gesagt, bevor die auf der finnischen Flurregelung und dem staatlichen Bodenbesitz beruhende Verwaltung die Dorfadministration der Samen ersetzte, hatten die Samen die Regelung aller (Rechts-)Angelegenheiten in ihrem Siedlungsgebiet selbst in der Hand. Die Familien bildeten Dorfgemeinschaften mit einer eigenen Dorfversammlung (Lappenthing/Lappenzeltgericht), die über alle Jagd- und Fischereiangelegenheiten entschieden. Die Dorfversammlung war bestrebt, auch den weniger Wohlhabenden bestimmte Lebensbedingungen zu sichern. In jener Zeit konnten die Samen unmittelbar Einfluss auf die die Naturressourcen betreffenden Entscheidungen nehmen, beispielsweise durften Neusiedler sich nicht in den Gebieten der Lappendörfer niederlassen, bevor nicht die Stellung der Samen gesichert war.

Bereits im 18. Jahrhundert wurde jedoch die Tätigkeit des samischen Verwaltungsorgans, der Dorfversammlung, unterbunden und durch die staatliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsorgane des finnischen Staates ersetzt. Die traditionelle samische Dorfverwaltung gibt es in Finnland nur noch in Form der Dorfversammlung bei den Skoltsamen. Jedoch auch sie ist nicht beschlussfähig, sondern hat lediglich nur beratende Funktion.

Im Ergebnis der im 18. Jahrhundert begonnenen Entwicklung bildeten sich in den ursprünglichen Siedlungsgebieten der Samen neue Ansiedlungen und ein großer Teil der Samen wurde auch dazu gebracht, Weideflächen nach finnischem Muster anzulegen. Damit verringerten sich die Möglichkeiten einer traditionellen weiträumigen Nutzung der Region für die Samen. Denn die Bauern, die sich in dem Gebiet niedergelassen hatten, vertrieben zumeist die Samen von ihrem Land, wenn diese das Gebiet nach Art ihrer Väter nutzen wollten.

Bei der Aufteilung des Grundeigentums auf dem heutigen Siedlungsgebiet der Samen blieb ein bedeutender Teil des Waldgebietes im Besitz des finnischen Staates, der unter Aufsicht der staatlichen Forstverwaltung kam. Gleichzeitig verschärfte sich der Konflikt zwischen den von den Samen betriebenen Naturgewerben Rentierzucht, Jagd und Fischerei einerseits und der Waldwirtschaft in den staatlichen Waldgebieten andererseits. Mit der staatlichen Inbesitznahme des Landes wurde den Samen die lokale Entwicklung ihres Siedlungsgebietes völlig aus der Hand genommen. Als Grundeigentümer des Landes hat der Staat verschiedene Flächen unterschiedlichen Nutzern übergeben und andererseits Beschränkungen für die Nutzung erlassen, die eine traditionelle samische Produktionsweise in vielen Bereichen sehr erschweren.

Und es ist in der Tat so, dass im heutigen Lebensraum der Samen die sehr stark naturverbundene Kultur und die technisch-ökonomische Kultur westlicher Prägung so abrupt aufeinandertrafen, dass erstere in ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis zur zweiten geriet. Die daraus entstandenen Probleme erschweren das Leben vor allem der Samen.

Wie anfangs schon erwähnt, sind in Finnland viele Vorschläge zur Förderung der "Sache der Samen" eingebracht worden. Die letzte Initiative stammt aus dem Jahr 2006, der sog. "Vorschlag zum Samengesetz", dessen Grundidee die Rückgabe des staatlichen Bodenbesitzes an die samischen Dorfgemeinschaften vorsieht. Unter der samischen Bevölkerung ist dieser Vorschlag sehr zwiespältig aufgenommen worden:
1) Viele meinen, dass das Gesetz in dieser Form der finnischen Holzindustrie Zugang zu den Wäldern und Naturparks im nordlappländischen Waldgrenzgebiet verschafft.
2) Gleichzeitig befürchtet man, dass durch eine Zersplitterung in kleinere Territorien die traditionelle Nutzung der Natur beeinträchtigt wird. Denn: Die samische Kultur- und Wirtschaftsform hat immer weiträumige Nutzungsgebiete vorausgesetzt.

Und bei der Nutzung der Natur im samischen Gebiet und in der Gestaltung der betreffenden Gesetzgebung muss man vor allem auch die große Störanfälligkeit der Umwelt berücksichtigen. Deshalb ist es notwendig, entschieden gegen alle Bestrebungen der Holzindustrie vorzugehen, die auf eine Abholzung der Wälder Nord-Lapplands auf der Rechtsgrundlage des o.g. Samengesetzes abzielen.

Zugleich müssen die Waldwirtschaft und der Schutz der Wälder im Samengebiet als Bestandteil des der Natur angepassten Ökosystems der Samen geplant werden. Damit könnten zum einen die unterschiedlichen Bewirtschaftungsarten des Waldes gewährleistet werden und zum anderen durch eine vielfältige nebengewerbliche Nutzung mit der Zeit mehr und bessere Erträge als allein Zellulose für die Papierindustrie erzielt werden.

In diesem Sinne muss der Umweltschutz im heutigen samischen Siedlungsgebiet auf das Ökosystem des gesamten Lappland ausgedehnt werden. Damit könnten auch die unberechenbaren, katastrophalen Folgen verhindert werden, die die Abholzungen für das gesamte samische Ökosystem mit sich bringen würden.

Damit das Samentum auch in Zukunft bewahrt bleibt, ist es vor allem wichtig, das Überleben der Einheit von Mensch und Natur in den nördlichen Fjäll- und Nadelwaldregion Finnlands, dem ursprünglichsten Samengebiet zu sichern.

Die deutschsprachige Fassung des Textes von Doktor Armin Krause/Leipzig
Deutsch-Finnische Gesellschaft Leipzig redigiert